Hochwürdiger Herr Pfarrvikar Gehringer,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

wir gedenken an diesem Wochenende

der Opfer von Krieg und Gewalt,

der Soldaten, die in den beiden Weltkriegen gefallen sind,

der Männer, Frauen und Kinder, die infolge des Krieges auf der Flucht oder bei der Vertreibung aus der Heimat oder im Zuge der Teilung unseres Landes und Europas ihr Leben verloren.

 

Wir gedenken der Soldatinnen und Soldaten unserer Bundeswehr und anderer Einsatzkräfte, die in Ausübung ihres Dienstes ihr Leben ließen.

 

Wir trauern um alle Opfer von Krieg und Terrorismus und politischer Verfolgung.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

als mir vor einigen Tagen die Aufgabe zuteil wurde, heute hier die Stadt Traunstein zu vertreten, habe ich mich ganz persönlich gefragt, was man in einer Rede zum Ausdruck bringen kann, wenn man selbst nie Krieg, Flucht, Vertreibung oder Gewalt erlebt hat.

An was kann meine Generation erinnern?

Gewiss kennen viele die Erzählungen von Eltern, Großeltern Verwandten, Freunden und Bekannten die Krieg, Flucht Vertreibung und Gewalt persönlich erlebt haben. Ich persönlich kenne auch von meiner Großmutter viele dieser Geschichten, die erahnen lassen, welche menschlichen Tragödien sich in den Kriegsjahren und Nachkriegsjahren abgespielt haben müssen.

 

Aber reicht es aus, sich an die Erzählungen der Großeltern zu erinnern?

 

Wie kann es gelingen, dass der Volkstrauertrag  mehr als ein alljährlicher formaler Akt ist?

 

Zum Erinnern muss nach meiner festen Überzeugung etwas Zweites kommen, besonders für diejenigen, die keine eigene Erfahrung und Erinnerung an Krieg haben. Zur Erinnerung muss Dankbarkeit hinzukommen. Dankbarkeit dafür, dass wir in einem Land und in einer Zeit leben dürfen, in der großer Wohlstand für sehr viele, Frieden und Freiheit herrschen und in der die Achtung der Würde des Menschen unumstößliches Grundprinzip allen staatlichen Handelns ist.

Das ist nicht selbstverständlich!

Frieden ist nicht selbstverständlich!

Demokratie ist nicht selbstverständlich!

Auch daran erinnern uns unsere Eltern, Großeltern und alle, die Opfer der größten Unmenschlichkeit der Menschheitsgeschichte geworden sind!

Wenn zu dieser Erinnerung Dankbarkeit kommt, entsteht für uns die Pflicht, alles dafür zu tun, dass Frieden, Freiheit und Demokratie erhalten bleiben. Dann entsteht die Pflicht, politischen Fehlentwicklungen, Ärgernissen und Betroffenheiten nicht mit Angst, mit einfachen Antworten oder gar mit Radikalität zu begegnen, sondern mit dem Willen zum Engagement und mit Zuversicht.

 

Wenn ich mich an die Erzählungen meiner Großmutter erinnere, dann waren es nicht nur die Erzählungen von Krieg und Vertreibung - vom Schrecklichen. Sondern es waren auch die Erzählungen, wie man nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in der größten Not zusammengehalten und angepackt hat.

Und auch das ist eine Mahnung an uns: Nicht jeden Tag einen neuen Notstand ausrufen, sondern sich erinnern an die Schrecklichkeit der Kriegszeit, gedenken an die Opfer des Unrechts und der Unmenschlichkeit und dankbar sein, dass aus der größten Not der beste Staat, den wir jemals auf deutschem Boden hatten, entstanden ist. Wenn uns das nicht nur heute, sondern jeden Tag gelingt, können wir alle großen und kleinen politischen Probleme, alle Ärgernisse und Unzufriedenheit lösen.

Auch deshalb ist es wichtig, nicht nur heute den Opfern von Krieg und Gewalt zu gedenken!

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