Eine überaus informative Veranstaltung zum Thema "Kirche und Soziales" fand am 8.2.2020 im Aubräu statt.

„Kirche und Soziales“ war das Thema des zweiten Stadtstammtischs mit dem gemeinsamen OB-Kandidaten von  UW und CSU Christian Hümmer, zu dem die CSU-Arbeitsgemeinschaften Frauen Union, Junge Union und Senioren Union am vergangenen Samstag einluden. Die prominenten Gäste – der katholische Dekan Georg Lindl, sein evangelischer Amtsbruder Peter Bertram sowie die Geschäftsführerin der Traunsteiner Lebenshilfe Annemarie Funke –  boten den zahlreichen  Teilnehmern eine hochkarätige Diskussion.

Mit dem Neubau der Lebenshilfe findet sich in Traunstein ein Vorzeigeprojekt mit verschiedenen Wohnformen für Menschen mit und ohne Behinderung, in dem Inklusion und Integration gelebt werden. Geschäftsführerin Annemarie Funke machte darauf aufmerksam, dass es neben den 24 Wohnheimplätzen, einer Wohntrainingsgruppe und 11 Appartements auch einen großen Begegnungsraum gebe, den man mieten könne. Dieser werde für viele Veranstaltungen wunderbar genutzt, was zur Integration der Menschen mit Behinderung beitrage. Funke betonte, dass Christian Hümmer und die CSU das Projekt stets gefördert haben. So konnte beispielsweise verhindert werden, dass die Stadt von der Lebenshilfe 60.000 Euro für die Stellplatzablöse fordert.

Auch die Kirchen zeigen großes soziales Engagement. Dekan Peter Bertram  schilderte die vielfältige Tätigkeit der Diakonie, vom Möbellager bis hin zum Altersheim auf der Wartberghöhe. Bertram machte darauf aufmerksam, dass auch in Traunstein die Wohnungslosigkeit zunehme; es gebe immer mehr Menschen, die mit ihrem Wohnsitz bei den sozialen Diensten gemeldet seien. Die Herausforderungen seien groß, die Kirchen seien auf die Unterstützung von der politischen Seite angewiesen, damit sie zum sozialen Frieden beitragen könnten.

Und in der Tat ist die Partnerschaft zwischen der Stadt und den Kirchen gut, betonte Dekan Lindl, man treffe auf offene Herzen. Ganz konkret nennt Lindl den Bau des neuen Kindergartens, der 4,3 Millionen Euro koste und an dem sich die Stadt zu einem Drittel beteilige. Insgesamt investiere die Kirche 50 Millionen Euro in Traunstein für den neuen Campus St. Michael und den Kindergarten.

Mit Blick auf das Pontifikat von Papst Franziskus stellte Hümmer den Vertretern der Kirche die provokante Frage: Ist der soziale Bereich denn alles? Lindl äußerte dazu, dass Franziskus aus einer Region komme, wo soziale Fragen viel brennender seien als bei uns. Er warnte davor, dass die Kirche aus einer defensiven Position heraus einem Nützlichkeitsdenken huldige nach dem Motto: „Wir machen ja etwas.“ Die erste Aufgabe der Kirche sei die Verkündigung des Glaubens, und daraus ergäben sich ethische Verhaltensnormen. Auch Dekan Bertram betonte: „Theologie ist mehr als Ethik.“ Beides seien Vorder- und Rückseite einer Medaille.

Von der Lebenshilfe zum Lebensschutz – wo stehen hier gerade angesichts des medizinisch-technischen Fortschritts die Kirchen? Auch wenn die katholische Kirche sich gerne mit sich selbst beschäftige, so könne man bei diesem Thema die deutschen Bischöfe nicht kritisieren, so Lindl. Die Würde des Menschen werde von Gott verliehen und sei nicht verhandelbar. „Wenn wir darüber den Konsens verlieren, zerbricht etwas“, warnte Lindl. Aber auch innerhalb des christlichen Systems gebe es unterschiedliche Lösungsansätze. Beispiel Flüchtlingsboot: Es sei zwar Konsens, dass man niemanden ertrinken lassen dürfe. Doch wer Flüchtlingsboote fördere, betreibe das Geschäft der Schleuser, die Hilfe müsse viel früher in Afrika erfolgen. Lindl betonte, dass die Kirche keine Instanz der moralischen Deutungshoheit sei. Er wünscht sich: „Dort, wo man ist, soll man dem christlichen Geist gemäß handeln.“

Ein bedeutendes soziales Projekt, das u.a. auch von den beiden Kirchen unterstützt wird, ist die Traunsteiner Tafel. 300 Einzelpersonen haben Bezugsscheine, davon 100 Kinder. Bertram äußerte dazu, man dürfe angesichts der maximalen Lebensqualität in unserer Region nicht den Blick dafür verlieren, dass es auch bei uns Vereinsamte und chronisch Kranke gebe, denen durch das soziale Netz wie z.B. die Tafel geholfen werde. Hümmer bezeichnete es als Skandal, „dass in Traunstein Kinder nicht genug zu essen bekommen“.

Bei der anschließenden Diskussion kam Ewald Kleyboldt auf Papst Franziskus zurück. Von dessen Enzyklika „Laudato si“, die sich vorrangig mit ökologischen Fragen beschäftigt, könne man auch zu den Radwegen in Traunstein kommen. Bertram verwies darauf, dass die kirchlichen Hilfsorganisationen bei den Themen Schöpfung und Klima durchaus dran seien. Doch das Engagement müsse stärker werden und es müsse ein breiteres Bewusstsein in den Gemeinden entstehen.

Hans-Peter Weiß vermisst beim Thema Digitalisierung den Dialog darüber, wie wir leben wollen. Die Kirche hat immer auf Entwicklungen reagiert und nicht proagiert, so Lindl. Man müsse Antworten finden, und da könne die Kirche aus ihren Erfahrungen schöpfen und ihrem Wissen darum, wie gutes Leben gehe. Funke sieht bei dem Thema große Probleme, z.B. wenn mit Pflegerobotern die Personalintensität reduziert werden solle. Hier müsse man gegensteuern und die sozialen Berufe stärken. Daher ist es ihr ein großes Anliegen, dass in Traunstein eine Heilerziehungspflegeschule geschaffen wird. Hier in der Region gebe es weit und breit keine solche Schule, und angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels sei es wichtig, dass vor Ort eine entsprechende Ausbildung angeboten werde. Die diesbezüglichen Pläne der Caritas seien schon weit gediehen und Funke ist zuversichtlich, dass bereits im kommenden September die erste Klasse starten könne. Denn wichtig sei, den Mensch in den Mittelpunkt zu rücken. 

.

Zum Seitenanfang