Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

50 Millionen Euro! – 50 Millionen Euro investiert die Stadt Traunstein in den Jahren 2010 - 2019 in Kinderkrippen, Kindergärten und Schulen. Beeindruckend, richtig, zukunftsweisend, aber auch alternativlos!

Insbesondere der Haushalt 2016 ist ein Haushalt für die „Große Bildungs- und Wohlfühlstadt Traunstein“. 7,7 Mio. Euro wenden wir für den Bildungsbereich auf.

Und gleichzeitig: Traunstein erlebt eine Zeitenwende. Nach einem Jahrzehnt ohne neue Schulden, macht die Stadt erstmals wieder neue Schulden – und zwar massiv!

 

Zeitenwende – das ist das Stichwort für das Jahr 2016:

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Erlauben Sie mir unseren Haushalt 2016 am Beginn dieses neuen Jahres, das so unruhig begonnen hat, in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Die Flüchtlingskrise wird auch an unserer Stadt nicht vorbeigehen. Ich gehe davon aus, dass wir bis zum Jahresende ca. 600 Flüchtlinge in unserer Stadt aufnehmen müssen. Die meisten Flüchtlinge werden dauerhaft bleiben. Der Familiennachzug wird dazu führen, dass wir in den kommenden Jahren viele Kinder und Jugendliche in unserer Stadt integrieren müssen.

 

Am Anfang dieses Jahres ist endgültig klar: Kommunalpolitik ist nichts, was nur von der eigenen Stadt oder Gemeinde abhängig ist, sondern: Jede Entscheidung in der Weltpolitik hat ganz konkrete Auswirkungen auf uns, insbesondere die verfehlte Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin. Dies sollte uns nicht dazu verleiten, die weltpolitischen Debatten in diesem Gremium zu diskutieren, dazu sind wir nicht berufen, aber wir müssen sie bedenken. Dieser Haushalt mit seinen starken Investitionen in Bildung gibt die richtige Antwort in dieser unsicheren und unruhigen Zeit:

Bildung, Kultur und Sport sind unsere Stärken in Traunstein. Sie machen die Wohlfühlstadt Traunstein aus. Es ist richtig, gerade jetzt unsere Stärken zu stärken. Bildungsstadt und Wohlfühlstadt gehören untrennbar zusammen. Im Deutschen ist der Begriff „Bildung“ fast schon etwas abgeflacht, besser bringt es das Lateinische zum Ausdruck: Humanitas heißt Menschlichkeit und Bildung: Menschlichkeit ohne Bildung gibt es nicht, eine Wohlfühlstadt ohne Bildung ist nicht möglich, Integration ohne starke Bildungseinrichtungen kann und wird nicht gelingen. Wir können keine pädagogischen Inhalte in der Stadt bestimmen, aber wir können den richtigen Rahmen für den Bildungserfolg setzen.

 

Deshalb stehen wir als Fraktion weitgehend zu diesem Haushalt und dem Investitionsprogramm. Wir stehen zur zweiten Schulküche und der Erweiterung der Kohlbrenner-Schule und setzen uns für eine schnelle Umsetzung ein, wir wollen die Erweiterung der Ludwig-Thoma-Schule – und zwar um 8 zusätzliche Räume, wir haben die Erweiterung der Grundschule Haslach angestoßen, wir stehen zur Grundschule in Kammer und dem Anbau für die Hortbetreuung in Kammer und wir sind dafür, dass das AKG endlich seine Schulturnhalle bekommt. Der nächste Schritt, der kommen wird, ist die offene Ganztagsgrundschule. Auch das begrüßen wir.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die starke, ungebremste Zuwanderung hat aber noch eine zweite Dimension für Städte und Gemeinden. Die Zuwanderung wird zu einer weiteren Verstädterung, zu einer weiteren Metropolisierung führen. Viele Zuwanderer wird es schon aufgrund der besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt in die Großstädte ziehen. Dies wird unweigerlich dazu führen, dass Finanzmittel für Wohnungen und Infrastruktur in Großstädten bereitgestellt werden müssen. Auch deshalb ist es richtig, schon heute vorausschauend zu investieren, denn die Fördermittel für ländliche Kommunen werden in Zukunft sicher nicht mehr werden.

 

 

 

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

die Schattenseite dieses Haushaltes muss klar und unmissverständlich ausgesprochen werden: Der Haushalt 2016 ist mit 5,6 Mio. Euro unterfinanziert. 4,6 Mio. Euro neue Schulden und 1 Mio. Euro Entnahme aus der Rücklage ergeben ein Defizit von 5,6 Mio. Euro. Das ist zu viel – aber in diesem Jahr fast nicht abwendbar: Wir investieren fast ausschließlich in Pflichtaufgaben: Auf Schuldenbergen können keine Kinder spielen! Aber in maroden und zu kleinen Schulen können Kinder nicht lernen!

Die Zukunft verheißt nichts Gutes: Bis zum Jahr 2019 wird der Schuldenstand voraussichtlich um 14,5 Mio. Euro auf 27,7 Mio. Euro steigen. Das ist mehr als das Doppelte! Unsere Rücklagen werden schon in diesem Jahr nahezu aufgebraucht werden!

 

Wir müssen die Trendwende einleiten, indem wir mehr Einnahmen aus den Anteilen der Einkommensteuer und der Gewerbesteuer erreichen. Das heißt: Mehr Einwohner, mehr Betriebe! Beide Säulen sind gleich wichtig.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

auf diese haushaltspolitische Zeitenwende muss eine mentale Wende folgen:

 

  1. Das Wichtigste ist: Tragen wir das Traunsteiner Modell der Wohlfühlstadt in die nächste Generation! Dafür müssen wir Ja sagen zu Investoren. Jeder, der in Traunstein und für Traunstein sein Geld ausgeben möchte, ist willkommen, er ist ein Partner der Stadt. Das sind genauso junge Familien, die in Traunstein Baugrundstücke suchen, wie Unternehmen, die sich hier ansiedeln möchten. Eine Bewahrung des Status quo reicht nicht aus, das wäre geradezu jugendfeindlich, zukunftsvergessen und letztendlich egoistisch!

 

  1. 2. Wir müssen unser Potential heben: Junge Familien haben keine Chance in Traunstein ein Grundstück zu bekommen. Wir treiben sie geradezu in die Nachbargemeinden. Uns entgehen dadurch Einkommensteueranteile, die wir dringend benötigen. Diese jungen Familien bedeuten Zukunft. Wir brauchen deshalb eine neue und schlüssige Bodenpolitik. Es reicht nicht aus, nur eine neues Einheimischenmodell und einen neuen Verteilungsschlüssel zwischen freiverkäuflichen Grundstücken und Einheimischengrundstücken zu beschließen. Wenn der Anteil der freiverkäuflichen Grundstücke steigt, dann müssen insgesamt auch mehr Grundstücke zur Verfügung stehen! Das bedeutet, einen großzügigen Umgang mit dem Planungsrecht. Nur dann können wir verhindern, dass es zu einer Explosion der Grundstückspreise

 

  1. 3. Der Umgang mit dem kleinen und mittleren Gewerbe muss dringend verbessert werden. Von Willkommenskultur kann keine Rede sein, wir haben diesbezüglich eine Verabschiedungskultur. Die Zahl der angemeldeten Gewerbebetriebe in unserer Stadt ist zum dritten Mal in Folge gesunken! Nochmals: Ich rede nicht von Discountern oder Heuschrecken, sondern von kleinen und mittleren, einheimischen Gewerbebetrieben. In aller jüngster Vergangenheit wollten zehn Handwerks- und Dienstleistungsunternehmen – alle einheimisch, alle unser Leute - nach Traunstein kommen oder in Traunstein bleiben. Alle zehn haben wir verloren, weil wir keinen Quadratmeter bezahlbaren Gewerbegrund in unsere Stadt haben. Wir brauchen neue Lösungen für die einheimische Wirtschaft: Wir brauchen ein Einheimischenmodell für kleine und mittlere Gewerbebetriebe.

 

  1. Die Zeit für teure und überflüssige Prestigeprojekte wie die Güterhalle ist vorbei. Ich schlage abermals die Jugendmillion vor: Eine Million Euro für das Jugendzentrum spart dem Steuerzahler 3 Mio. Euro für den Totalumbau einer maroden Baracke.

 

  1. Mehr Kreativität wagen! Zum Beispiel: 70.000 Euro kostet der Christkindlmarkt. Die Zufriedenheit mit dem Christkindlmarkt in der Bevölkerung ist eher gering. Sollten wir nicht angesichts dieses Befundes überlegen, ob der Christkindlmarkt noch vom Rathaus aus organisiert werden muss? Oder ist es nicht vernünftiger damit eine Veranstaltungsagentur oder das Stadtmarketing zu beauftragen? Beispiel Friedhof: Wir müssen uns neuen Bestattungsformen öffnen. Ich hoffe hier auf Vorschläge der Verwaltung. Beispiel Gebäude- und Flächenmanagement: Wir brauchen dringend eine Gesamtübersicht über unsere Gebäude und über die Möglichkeiten, wie wir unsere Einrichtungen räumlich optimal organisieren können. So könnte sicher der ein oder andere Anbau vermieden werden. Und wir müssen darüber nachdenken, ob und wo wir private Investoren einbeziehen können.

Mehr Kreativität statt einfacher Begründungen: Hören wir auf mit stereotypen Begründungen wie „als Große Kreisstadt oder als Oberzentrum müssen wir uns das leisten“ oder „dafür gibt es einen Zuschuss“. Zuschüsse haben ihre Berechtigung, aber nur in der richtigen Reihenfolge: Die erste Überlegung muss sein: Ist mein Projekt gut? Die zweite: Bekomme ich für mein gutes Projekt einen Zuschuss? Und nicht umgekehrt.

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

dieser Haushalt 2016 ist ein Appell an uns Stadträte! Liebgewonnenes und Notwendiges können wir ohne neue Schulden nicht mehr finanzieren – trotz sehr hoher Einnahmen. Es ist also an der Zeit neue Wege zu gehen, damit wir eine Wohlfühlstadt bleiben und dieses Traunsteiner Modell in die nächste Generation tragen können.

 

Abschließend, liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

komme ich nochmals auf die großen Veränderungen in unserem Land zusprechen. Wir sind Zeuge eines historischen Moments. Wir alle in diesem Gremium haben in diesem Jahr – so empfinde ich es -  einen noch größeren Auftrag – als die Verwaltung unserer Stadt in Zahlen und Beschlüssen. Wir sind als Demokraten gefordert! Ich sage klar und deutlich: Radikale dürfen keine Chance haben! Wer mit der AfD sympathisiert, sympathisiert mit einer von Rechtsradikalen unterwanderten, rechtspopulistischen Partei!

Wir, die politisch Engagierten und Mandatsträger, haben in dieser Zeit eine besonders wichtige Aufgabe: Wir müssen wieder mehr auf die Meinung der Bevölkerung hören – bei allen Themen, im Kleinen und im Großen! Wer Politik nach dem Prinzip „Folge mir nach!“ macht, wird scheitern – in der großen wie in der kleinen Politik. Unser Papst Benedikt bringt es so zum Ausdruck:

Wie wäre es, wenn uns, den Gesetzgebern von heute, eine Bitte freigestellt wäre? Was würden wir erbitten? Ich denke, auch heute könnten wir letztlich nichts anderes wünschen als ein hörendes Herz.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich weiß, wir alle haben ein hörendes Herz! So bleibt nur noch ein Wunsch: Hoffentlich hören wir alle dasselbe!

 

 

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